Die Google-Teamwork-Study – Und wie du sie als Führungskraft für dich nutzen kannst

Die Google-Teamwork-Study. Diese Erfahrung kennt wahrscheinlich jede Führungskraft: Man hat eine Vision, man weiß genau, welche Schritte man umsetzen muss und wie das Endergebnis aussehen soll. Es gibt nur ein Problem: Das eigene Team spielt (scheinbar) überhaupt nicht mit. Woran liegt das? Sind alle Arbeitnehmer*innen einfach nur desinteressiert und faul? Wohl kaum. Ist man selber als Führungskraft total ungeeignet? Auch das wahrscheinlich weniger. Um dem Problem auf den Grund zu gehen und konkrete Lösungsschritte zu finden, lohnt es sich, sich einmal der bekannten Google-Teamwork-Study zu widmen. Um diese Studie soll es im folgenden Blog gehen. 

Bildbeschreibung: Zu sehen sind einige Menschen, die jeweils ein Zahnrad in der Hand halten. Zusammen bilden sie eine Kette dieser Zahnräder, die ineinander fließen. 

Die Google-Teamwork-Study “Project Aristotle”

Im Jahr 2012 hat Google die Teamarbeit in seinem eigenen Unternehmen zu untersucht und vier Jahre später unter dem Namen “Project Aristotle” spannende Ergebnisse dazu veröffentlicht. Google-interne Forscher untersuchten 180 Teams im Unternehmen und analysierten über 250 Teamattribute durch mehr als 200 Interviews.  Am Ende haben sie fünf Schlüsselmerkmale herauskristallisiert, die für den Erfolg eines Teams ganz besonders ausschlaggebend sind. In der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit sind dies:

Psychologische Sicherheit: Die Mitglieder müssen das Gefühl haben, in ihrem Team Vertrauen, Verständnis und Offenheit zu finden.

Verlässlichkeit: Die Mitglieder müssen sich aufeinander verlassen können, z.B. indem Absprachen eingehalten werden.

Struktur und Klarheit: Die Aufgaben und einzelnen Arbeitsschritte für jeden müssen klar umrissen, verständlich und in ihrer Struktur nachvollziehbar und machbar sein.

Sinnhaftigkeit: Die Mitglieder müssen sich des Sinns ihrer Arbeit bewusst sein und inwiefern diese zum Gesamtergebnis beiträgt.

Wirkung: Die Mitglieder müssen erfahren, dass ihre Tätigkeit eine Auswirkung hat, dass sie also etwas bewegen und beeinflussen können.

Diese fünf Faktoren sind laut Studie für das Funktionieren der Teams wichtiger als die Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder. Obwohl eine gewisse Kompetenz natürlich immer Voraussetzung bleibt. Aber was folgt nun daraus? Die meisten Artikel zu den Ergebnissen, die ich gelesen habe, sind dabei stehen geblieben, nur die erforschten Eigenschaften aufzulisten. Aber sie sagen wenig darüber, wie man sie erreichen kann. Was, wenn du es jemals versucht hast, auch echt nicht einfach ist. Oft wird der Fokus bei Mitarbeitern nur darauf gelegt, inwiefern sie die erwarteten Kompetenzen für die Stelle mitbringen.

ABER, die Dinge, die typischerweise den größten Stress in kleinen Unternehmen verursachen, sind nicht die Kompetenzen eines Teammitglieds, also wie gut es seine Arbeit machen. Solche Kompetenzen sind ja in der Regel auch erlernbar und ausbaufähig. Die großen Probleme liegen darin, wie die einzelnen Mitarbeiter mit ihren Kollegen interagieren und sich engagieren. Oft ist Teamarbeit in kleinen Unternehmen weniger formell und mehr eine Grundvoraussetzung für die Funktionalität, um Aufgaben mit einer begrenzten Anzahl von Mitarbeitern erfolgreich zu erledigen. Und die fünf genannten Merkmale stellen bei der Verbesserung von Kommunikation, Zusammenarbeit und Teamwork in kleinen Unternehmen oft die Ursache für die schwierigsten Debatten dar.

Leider sind sich die Leiter*innen kleiner Unternehmen dieser Faktoren oft nicht bewusst. Sie geben unmotivierten Mitarbeiter*innen mit schlechter Einstellung die Schuld für den mangelnden Beitrag zur kollaborativen Arbeitsumgebung. In Wirklichkeit liegt die Ursache aber in einer Arbeitsumgebung, der diese fünf Faktoren fehlen. Es bringt also nichts, scheinbar „unmotivierte“ und „störende“ Mitarbeiter*innen zu ersetzen, denn die neuen Kolleg*innen werden nur auf die gleichen Schwierigkeiten stoßen und dementsprechend ebenfalls scheinbar schlecht arbeiten.

Psychologische Sicherheit?

Was ist also zu tun? Vier der Merkmale, Verlässlichkeit, Struktur und Klarheit, Sinnhaftigkeit und Wirkung, sind fast selbsterklärend und relativ leicht umzusetzen. Psychologische Sicherheit hingegen ist meiner Erfahrung nach in den meisten Arbeitsumgebungen nur schwer zu finden. Auf der internen “Rework”-Website von Google, auf der die Ergebnisse und Empfehlungen veröffentlicht werden, wird psychologische Sicherheit – grob übersetzt – wie folgt erklärt:

“an individual’s perception of the consequences of taking an interpersonal risk or a belief that a team is safe for risk taking in the face of being seen as ignorant, incompetent, negative, or disruptive. In a team with high psychological safety, teammates feel safe to take risks around their team members. They feel confident that no one on the team will embarrass or punish anyone else for admitting a mistake, asking a question, or offering a new idea.”

„Die Bereitschaft des Einzelnen, ein Risiko einzugehen, oder daran zu glauben, dass es in seinem Team die Sicherheit für ein solches Risiko findet, hängt davon ab, inwiefern er als unwissend, inkompetent, negativ oder störend empfunden wird. In einem Team mit hoher Psychologischer Sicherheit fühlen Mitglieder sich bereit, Risiken einzugehen. Sie haben Vertrauen darin, dass keiner ihrer Teamkollegen sie oder andere blamieren oder bestrafen wird, wenn sie einen Fehler zugeben, eine Frage stellen oder neue Ideen einbringen.“

Kurz: Selbstständiges Handeln, von dem der Teamerfolg in hohem Maß abhängt, hängt davon ab, ob sich die einzelnen Mitglieder auch bei Misserfolg noch in ihrem Team aufgehoben und akzeptiert fühlen werden. Ob also mit Fehlern offen und konstruktiv umgegangen wird, oder es eine sogenannte Blaming-Culture gibt, in der Misserfolge bestraft und Sündenböcke gesucht werden. Oder in der die Kolleg*innen lieber runtergemacht werden, um sich aufzuwerten, da man sich selber aus Angst vor Ablehnung nicht traut, eigenständig zu handeln. In einer solchen Umgebung wird jede*r Mitarbeiter*in desinteressiert und lustlos, da er auch keinen Anreiz erhält, sein bzw. ihr Können zu zeigen. Psychologische Sicherheit ist leider selten vorhanden. Existiert sie jedoch, floriert das Unternehmen.

Interessanterweise will und braucht jeder psychologische Sicherheit, um zu gedeihen. Ohne sie wären die Menschen gelähmt, etwas zu sagen oder zu tun. Dennoch tragen nur wenige von uns dazu bei, sie zu schaffen. Die meisten unserer Verhaltensweisen neigen eher dazu, sie zu untergraben. Wahrscheinlich hast du schon Situationen erlebt, in denen Menschen öffentlich für ihre Meinungen und Ideen beurteilt, oder ohne ihr Wissen öffentlich angeprangert werden, wenn sie ein Versprechen oder eine Verpflichtung nicht einhalten.

Wie du die psychologische Sicherheit fördern kannst

Darum möchte ich hier drei Möglichkeiten auflisten, wie du als Führungskraft psychologische Sicherheit fördern kannst, um ein höheres Maß an Teamwork und Zusammenarbeit in deinem Arbeitsumfeld zu erreichen:

1. Führe mit dem Team ein Gespräch über “psychologische Sicherheit” und schaffe ein Verständnis dafür, was sie ist und warum sie wichtig ist. Lasse das Team dann Ideen austauschen, wie sie sie zu einem Teil seiner Teamerfahrung machen kann. Erstelle dann eine “Teamvereinbarung”, zu der du und die Mitglieder gleichermaßen verpflichtet seid.

2. Verpflichtet euch zur ABC-Kommunikation, also „always be curious – “sei immer neugierig”. Das heißt, nachfragen, wenn einem etwas komisch vorkommt, oder man den Grund für das Handeln des Einzelnen erfahren möchte. Wenn dein Team sich verpflichtet, immer neugierig zu sein, wäre in diesen Situationen die erste Reaktion eine Frage, die versucht zu verstehen, anstatt ein Urteil abzugeben.

3. Führe private Check-Ins mit jedem Teammitglied durch, um sicherzustellen, dass sie sich auf einem für sie angenehmen Niveau beteiligen können, und ermutige sie zu zusätzlichen Verbesserungs-Ideen. Bringe dann die anonymisierten, kollektiven Ideen ins Team zur Diskussion und zur Verfeinerung der “Teamvereinbarung” ein.

Bei jedem dieser drei Schritte ist wichtig, dass die Teammitglieder gemeinsam und selbstständig herausfinden müssen, was für sie Psychologische Sicherheit schafft. Das kannst du ihnen nicht abnehmen und das ist auch OK so. In dieser Sache sind deine Mitarbeiter*innen ausnahmsweise mal der Boss. Denn jeder Mensch tickt anders und jedes Team erst recht. Wenn du als Führungskraft jedoch bereit bist, dich darauf einzulassen, wird dir das nicht nur eine Menge Arbeit und Frustration ersparen, sondern dein Unternehmen gleichzeitig richtig zum Florieren bringen. 

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